4. OHRENBÄR-Schreibwettbewerb 2010 - "Wie Willi sein Lächeln wiederfand" (2. Platz)
Von der Klasse L68 der Grundschule im Grünen, Berlin
Hexe Edda ist 251 Jahre, 3 Tage, 5 Stunden, 13 Minuten, 20 Sekunden und 1 Millisekunde alt. Das ist für eine Hexe noch sehr jung. Sie hat kunterbunte Haare, die ihr wüst vom Kopf abstehen. Angezogen ist sie mit einer knallrosa Hose, dazu eine graue Weste über einem tschitscheringrünen T-Shirt. Ihre Füße stecken in viel zu großen Schuhen und um den Hals trägt sie eine magische Perlenkette. Die Perlen spiegeln Bilder von Tieren, Ländern und so weiter. Mit den Perlen hat es eine besondere Bewandtnis: Das Bild jeder Perle zeigt, was Edda alles zaubern kann.
Es ist früh am Morgen und Edda steht aus ihrem Moosbett auf. Sie guckt auf ihre Perlenkette. Da sieht sie in Berlin ein weinendes Kind und sofort denkt sie: "Da muss ich helfen!"
Edda dreht an ihrer Perle und – schwups – ist sie in Berlin. Sie macht sich auf die Suche und findet das weinende Kind. Edda spricht den kleinen Jungen an: "Warum weinst du?"
Der kleine Junge erzählt, dass seine Eltern fast nur noch schimpfen, und in der Schule gibt es auch nur Stress.
"Ich helfe dir aus der Patsche", sagt Edda. "Komm einfach mit in mein Zauberlabor. Ich heiße übrigens Edda."
"Und ich bin Willi."
"Ich habe hier eine Perlenkette. Jetzt drehe ich an der Perle und zaubere mich in mein Mooshäuschen." Schwupps – ist Edda da.
Sie spricht immer noch, als sie merkt, dass Willi gar nicht bei ihr ist. Wieder dreht sie an der Berlinperle und… Da steht Willi noch an der gleichen Stelle.
"Ach, da bist du ja wieder, Edda. Ich dachte schon, das wäre nur ein merkwürdiger Traum. Da hat wohl was nicht geklappt."
"Ja, das denk ich auch. Wir müssen wohl laufen."
Schweren Herzens laufen sie los. Auf einmal steht ein steiler, gelber Berg mit roten Punkten vor ihnen. Leider können sie nicht um den Berg herumlaufen, eine dichte Dornenhecke versperrt ihnen den Weg.
Also müssen sie über den Berg. Als beide bereits mehr als 24 Stunden gelaufen sind, übersieht Willi einen Stein und purzelt in eine Höhle. Dort ist es schrecklich dunkel. Willi zittert vor Angst, sein Bein schmerzt und plötzlich hört er langsame, heftige Schritte. Sie werden immer lauter und Willi sieht auf einmal drei funkelnde rote Punkte auf sich zukommen. Da sieht Willi einen ganzen Kopf. Ein Drachenkopf! Willi denkt, er träumt, und erstarrt.
Edda, die indes weitergegangen ist und noch nichts bemerkt hat, erschrickt plötzlich. Auf einmal blinkt es an ihrer Perlenkette und sie sieht Willi in der Höhle vor einem großen Drachenkopf mit grünroten Augen.
"Oh mein Gott, ich bin schuld, wenn Willi etwas passiert. Dabei wollte ich ihm doch nur helfen."
Ohne innezuhalten rennt sie los. Oben angelangt rutscht sie auf einmal in die Höhle und landet auf dem Schwanz des Drachen. Der Drache ist furchtbar erschrocken und will sogleich fortfliegen. Edda hält sich am Schwanz des Drachen fest. Sie schnappt sich Willi und der Drache steigt mit Edda und Willi in die Luft.
Sie fliegen weit nach oben und dann wieder steil nach unten.
Edda merkt, dass der Drache landen will. Um weich zu landen, zaubert Edda dem Drachen 150 Luftballons.
Es wird eine so butterweiche Landung, über die sich sogar der Drache selbst wundert. Das nutzen Edda und Willi, um unbemerkt abzusteigen. Leise schleichen sie sich davon. Nicht lange und sie stehen vor einem See. Edda nimmt ihre Perlenkette und zaubert ein Fahrrad. Dieses Fahrrad sieht recht ungewöhnlich aus. Es hat zwei Flügel und einen Sitz. Eigentlich ist es mehr ein Flugmobil. Und das sieht auch noch komplett falsch zusammengebaut aus. Der Lenker ist hinten, die Pedale sind oben, die Räder dreieckig und die Flügel unten.
"Edda, das war wohl der falsche Hexenspruch."
"Ja, das denk ich auch", sagt Edda, und plötzlich ruft sie, "Willi, du hast mich in den Po gezwickt!" Aber als sie sich umdreht, sieht sie einen Kobold hinter einem Busch verschwinden.
Willi hat plötzlich schrecklichen Appetit auf Schokoladenbonbons und holt den letzten zerlaufenen aus der Tasche. Das riecht der Kobold und springt aus seinem Versteck. Edda zaubert schnell einen Kescher und damit fangen sie den Kobold ein. Dem Kobold ist das Ganze peinlich, und er hilft ihnen, das ersehnte Flugmobil zu bauen. Edda und Willi steigen auf das Fahrrad. Edda übernimmt den Lenker, Willi muss treten. So fliegen sie über den See und dann über den Zauberwald. In dem wachsen die Bäume mit den Blättern nach unten und den Wurzeln in den Himmel. Edda ist kurz abgelenkt, da sie nach hinten schaut. So krachen sie in einen Baum und verhakeln sich in den Wurzeln. Edda findet zum Glück ziemlich schnell einen guten Hexenspruch, mit dem die beiden sanft auf den Boden plumpsen.
Willi knurrt der Magen. Er hat schon seit Stunden nichts außer seinem Schokobonbon gegessen. Edda zaubert einen Tisch mit Bouletten, Apfelsaft und Brot. Willi stürzt sich darauf, aber nach einem Bissen Boulette, einem Stück Stulle und einem großen Schluck Saft spuckt er alles wieder aus und schimpft: "Das schmeckt ja nach Schwefel!" Edda sagt. "Ups! Aber das ist halt gezaubert. Dann müssen wir eben mein Mooshäuschen suchen und richtig kochen."
Als sie sich umsehen, merken sie, dass sie genau vor Eddas Mooshäuschen sitzen. Edda und Willi gehen hinein. Edda guckt in ihr Zauberbuch und möchte einen Trank brauen, damit Willi sein Lachen wiederfindet. Aber das Lachkraut ist weg. Edda und Willi gehen also noch einmal in den Zauberwald, um das Lachkraut zu suchen. Edda entdeckt es nach langem Suchen unter einem Baum. Zu Hause angekommen, beginnt Edda den Hexentrank zu brauen. Es zischt, knallt und stinkt ganz fürchterlich. Stolz überreicht Edda Willi den Zaubertrank in einer Blumenvase. Willi trinkt alles aus und schüttelt sich. Der Trank wirkt, aber es war das falsche Kraut. Willi schrumpft. Er wird so klein wie eine Maus.
Edda sagt, dass sie dann wohl noch einen Trank brauen müsse. Aber Willi protestiert: "Lieber nicht. Dann werde ich vielleicht noch zum Meerschweinchen."
"Nein, nein Willi. Ich verspreche dir, dass ich wirklich Lachkraut und Wachstumskraut nehme. Aber damit nicht wieder etwas schief geht, fragen wir zur Sicherheit meine Großmutter Adele. Die hat sich noch nie verhext."
Edda nimmt ihr altmodisches Hexentelefon und erklärt ihrer Großmutter die Situation. Großmutter Adele zutscht die beiden kurzerhand durchs Telefon. Als die beiden aus dem Hörer purzeln, runzelt Adele die Stirn und fragt: "Edda, was hast du nun schon wieder angestellt?"
Sie holt ein pfefferähnliches Pulver aus ihrem Schrank und hält es dem winzigen Willi unter die Nase. Willi muss dreimal hintereinander niesen. Ein Nieser schlimmer als der andere. Doch siehe da. Mit jedem Nieser wächst er ein Stück.
Adele hat natürlich echtes Lachkraut, was ihr immer die Fledermäuse bringen. Damit kitzelt sie ihn schon wieder unter der Nase und Willi fängt das erste Mal seit Langem wieder an zu lachen. Er bekommt einen Lachkrampf und es dauert fast 50 Minuten – dann hat er sich endlich ausgelacht. Er wischt sich die Freudentränen aus den Augen und bedankt sich bei Adele.
Dann fragt er nachdenklich, wie er wieder nach Hause kommen könne. Adele sagt: "Na ganz einfach. Du musst mir nur deine Telefonnummer verraten. Ich rufe bei euch zu Hause an und stecke dich wie vorhin wieder durch den Hörer. Aber vorher solltet ihr zwei noch Tschüß sagen."
Willi und Edda verabschieden sich voneinander. Beide haben Tränen in den Augen und müssen gleichzeitig vor Freude lachen. Adele steckt Willi in den Hörer und – schwups – sitzt er wieder in seinem Zimmer. Er weiß nicht genau, ob er das alles nur geträumt hat, und geht müde ins Bett.
Edda geht traurig, aber auch zufrieden wieder in ihr Mooshäuschen zurück und freut sich auf neue Abenteuer. Und so endet unsere kleine Geschichte.
Die Lehrerin zur Entstehung der Geschichte
"Ich habe die Mitteilung über den Wettbewerb erfahren und fand das Thema toll. Die Kinder stürzten sich in die Arbeit. Allerdings merkten sie schnell, dass sie eine Anleitung brauchten. So einigten wir uns gemeinsam auf ein Thema (Hexe Edda, die eine gute Hexe ist und anderen hilft). Meist lief es so ab, dass die Kinder als Hausaufgabe sich bestimmte Abschnitte erarbeiten mussten. Diese lasen sie sich vor und stellten daraus den Text zusammen. Die nächsten Abschnitte ergaben sich dann daraus. Streit musste ich natürlich auch schlichten. Das blieb nicht aus. Teamarbeit ist nicht immer einfach!"
(Auszug aus dem Brief der Lehrerin Frau Morgenroth)